Interview B4B Schwaben (Michael Ermark) —

Dr. Hermann Starnecker

1.      Was sind Ihre konkreten Aufgaben als Bezirkspräsident?

 

In dieser ehrenamtlichen Tätigkeit darf ich mich für die Belange der bayerisch-schwäbischen Genossenschaften gegenüber Wirtschaft, Politik und anderer Verbände einsetzen. Der Bezirksverband Schwaben besteht derzeit aus 40 rechtlich selbständigen Volks- und Raiffeisenbanken sowie 192 genossenschaftlich organisierten Waren- und Dienstleistungsunternehmen verschiedenster Branchen. Daraus ergeben sich naturgemäß unterschiedliche Themenfelder, die die einzelnen Genossenschaften bewegen. Ich stehe hier als Ansprechpartner zur Verfügung, um die Interessenslagen aufzunehmen, zu bündeln und nach außen hin sowie in unsere eigene Organisation hinein zu platzieren.

 

 

2.      Sie sind in diesem Amt wiedergewählt worden. In welche Richtung wollen Sie die schwäbischen Genossenschaften in Ihrer kommenden Amtszeit bewegen?

 

Für Richtungsvorgaben ist die Gruppe der Genossenschaften zu heterogen. Und dennoch eint uns alle die genossenschaftliche DNA mit einer solidarischen und transparenten Wertekultur. Das unterscheidet uns ganz klar von anderen Unternehmensformen. Obwohl vor 200 Jahren erstmalig begründet, sind Genossenschaften übrigens keineswegs altmodisch. Im Gegenteil, wir sind mit unserer regionalen Ausrichtung per se auf Nachhaltigkeit ausgelegt und passen damit hervorragend in unseren Zeitgeist und in das Wertebild der heutigen Jugend.

 

3.     Was sind die derzeit größten Herausforderungen der Genossenschaftsbanken?

 

Die Volks- und Raiffeisenbanken bewegen sich in einem anspruchsvollen Marktumfeld. Gesetzliche und regulatorische Rahmenbedingungen verursachen signifikante Kosten und das dauerhaft extrem niedrige Zinsniveau geht zu Lasten traditioneller Ertragsquellen. Mit der Corona-Pandemie haben wir aber auch festgestellt, dass uns die Kunden in Krisenzeiten vertrauen. Man kann sagen, die Volks- und Raiffeisenbanken haben den Corona-Stresstest mit Bravour bestanden. Uns muss es jetzt weiterhin gelingen, Menschen für eine regionale Genossenschaftsbank zu begeistern. Dazu gehört für mich beispielsweise ein breites digitales Angebot gepaart mit der persönlichen Nähe. Die Kunde-Bank-Beziehung darf jedenfalls nicht darunter leiden. Hier müssen wir stets eine gute Balance zwischen digital und persönlich finden.

 

4.      Mit welchen Fragen kommen derzeit Ihre Unternehmenskunden vermehrt auf die VR Bank zu?

 

In der Phase des ersten Lockdowns haben wir unsere Firmenkunden sehr intensiv betreut. Zu diesem Zeitpunkt herrschte eine große Verunsicherung bezüglich der Hilfs- und Unterstützungsangebote. Da war es zunächst wichtig, den Kunden das Signal zu geben, dass wir Ihnen zur Seite stehen, um gemeinsam Lösungen zu finden. Nach einem Jahr Pandemie steht für die Unternehmen nach wie vor im Vordergrund, Liquidität im Betrieb zu halten. Da unterstützen wir weiterhin je nach Sachlage mit Zins- und Tilgungsaussetzungen, Überbrückungskrediten oder helfen bei der Antragstellung staatlicher Fördermittel. Keinen negativen Corona-Effekt stellen wir im Immobiliengeschäft fest. Die Objektfinanzierungen bewegen sich nach wie vor auf hohem Niveau und auch die Nachfrage nach Immobilien bleibt ungebrochen.

 

 

5.      Welche wichtigen finanziellen Fragen sollten sich strauchelnde Unternehmen nun stellen?

 

Bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten kann ich nur raten, möglichst frühzeitig zu reagieren. Das setzt voraus, dass ein Unternehmer das aktuelle Zahlenwerk seiner Firma immer fest im Blick hat. Bei Liquiditätsschwierigkeiten oder den ersten Anzeichen einer sich anbahnenden Überschuldung sollte das Unternehmen sehr schnell aktiv werden und den Kontakt zu Steuerberater und Hausbank suchen, um Lösungsmöglichkeiten zu besprechen.

 

 

6.      Rechnen Sie mit einer größeren Insolvenzwelle in Bayerisch-Schwaben infolge der Coronakrise?


Bestimmte Branchen sind ohne Zweifel sehr stark von der Pandemie betroffen. Für mich ist momentan nicht absehbar, ob, wann und wie stark eine Pleitewelle kommen wird. Das wird sich vermutlich erst zeitversetzt im 3. oder 4. Quartal dieses Jahres zeigen. In unserem Mittelstand steckt jedoch viel Kraft und unsere Wirtschaft funktioniert. Das stimmt mich zuversichtlich.

 

 

7.      Digitale Angebote werden bei der VR Bank derzeit ausgebaut. Ist dies auf lange Sicht das Ende des herkömmlichen Bankgeschäfts — und was bedeutet das für die Mitarbeiter?

 

Die Bedürfnisse und Erwartungen unserer Kunden haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Die digitalen Möglichkeiten sind heute genauso wichtig geworden wie das Serviceangebot oder die persönliche Beratung in der Geschäftsstelle.  Corona hat dieser Entwicklung sicherlich noch einmal einen Schub versetzt. So haben wir während der Pandemie innerhalb kurzer Zeit das Thema Video-Beratung auf den Weg gebracht. Für unsere Kunden müssen Bankdienstleistungen einfach, schnell und bequem zu nutzen sein, so wie sie es aus vielen anderen Lebensbereichen bereits gewohnt sind. Und es braucht passgenaue Lösungen. Das normale Bankgeschäft wird über das Smartphone erledigt, für die Wertpapieranlage nutzt der Kunde den Video-Chat mit dem Bankberater und die komplexe Baufinanzierungberatung findet vor Ort in der Bankfiliale statt. Dieser „hybride“ Ansatz wird die Zukunft des modernen Bankings sein. Solche Veränderungen im Unternehmen können nur dann gelingen, wenn diese gemeinsam gestaltet werden, davon bin ich überzeugt. In unserem Haus binden wir unsere Mitarbeitenden deshalb so früh wie möglich in neue Arbeitsabläufe und Veränderungsprozesse mit ein.